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Archive for Juli 2013

Gefragt: Montagsfrage 5

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31. Juli 2013 von


Diese Woche ist paperthins Frage: Brichst du deinen Büchern den Rücken?

Das klingt so brutal. Ich breche meinen Büchern nicht den Rücken - zumindest nicht mit Absicht. Aber ein Taschenbuch ist auch kein Museumsstück; wenn man es liest, darf es ein paar Knicke bekommen. Und manche Bücher fallen auch von ganz allein auseinander.

Am schlimmsten hat es diese Ausgabe von "Gone in the Wind" getroffen. Der Buchrücken ist mit 3 Schichten Klebeband bedeckt, lose Seiten fliegen herum, Die Klebebindung ist gebrochen und so hab ich mehrere Textteile. Alles zusammengehalten vom formschönen Küchenband. Das ist schwer zu überbieten, oder?



Gelesen: Abteil Nr. 6

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30. Juli 2013 von

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Russland war ja schon das Thema der letzten Rezension und spielt auch in diesem Roman eine wichtige Rolle. Rosa Liksom, die Autorin von "Abteil Nr. 6" ist Finnin und hat lange Zeit selbst in Russland gelebt und gearbeitet. Ihre Geschichte einer namenlosen Frau und eines russischen Ex-Straftäters steckt voller Details, schrecklicher Geschichten und riecht nach kaltem Wodka und Zwiebeln. Das Zugabteil wird zur Bühne für ein Zwei-Personen-Stück.


Der Mann rieb sich die Knie, als die junge Frau das Abteil betrat. Aus den beigen Plastiklautsprechern auf dem Gang kam eine Romanze von Tschaikowksi. Zurück bleibt Omsk. Die geschlossene Stadt. Das ermüdete, von der Taiga aufgesaugte, gute, alte Omsk, von dem die Jugend nichts wissen will. Zurück bleibt das Gefängnis, in dem der verbannte junge Dostojewski knapp dem Tod entrann, zurück bleibt das leblose Denkmal von Dostojewski im Mannesalter, [..]zurück bleiben die Schlangen vor dem Schuhgeschäft, die müde Erde, die grau verschossene Reihe der Blockhüttendatschas. Das ist noch Omsk. Ein einzelnes neunzehnstöckiges Haus mitten in den Feldern, fünfhundert Kilometer Ölleitung, die gelben Flammen und der schwarze Rauch der Ölfördertürme. Wald, Lärchen, Birken, Wald, das ist nicht mehr Omsk, ein unter der Schneelast zusammengebrochenes Haus. Der Zug stampft durch das verschneite, leere Land. Alles ist in Bewegung: Schnee, Wasser, Luft, Bäume, Wolken, Wind, Städte, Dörfer, Menschen und Gedanken.
Darum geht es

Eine junge namenlose Frau besteigt die Transsibirische Eisenbahn von Moskau nach Ulan-Bator. Im Abteil Nr. 6 sieht sie sich mit einem Russen konfrontiert, der nicht nur säuft wie ein Loch, sondern obendrein Geschichten seiner unrühmlichen Taten erzählt. Alles an ihm scheint abschreckend, aber je länger ihre gemeinsame Reise dauert, desto mehr wird der grausige Mann zu ihrem Helfer. 

Das meine ich

"Abteil Nr. 6" ist ein Kammerspiel mit Unterbrechungen und der Monolog eines rüpelhaften, gewalttätigen Mannes. Und obwohl dieser Mann auf den ersten Blick so abstoßend erscheint kann man anfangen, ihn zu mögen. Mit jedem Kilometer, den der Zug zurücklegt, kommt hinter der Maske aus Prahlerei ein Charakter hervor, den man dort nicht erwartet. Unverblümt spricht er aus, was er von seinem Staat hält, von den Frauen, vom Leben, vom Alkohol. Je betrunkener er wird, desto offener wird sein Monolog und nicht nur einmal möchte man mit der jungen Frau zusammen das Abteil verlassen. Denn alles, was geschieht, erfährt man aus dem Blickwinkel dieser jungen Frau, die niemals einen Namen bekommt. Es ist ihre subjektive Wahrnehmung, die wir teilen und auch ihre Erinnerungen, die offengelegt werden. Auf dieser zweiten Ebene wird die Geschichte der Beziehungen der jungen Frau zu ihrem Freund Mitka und seiner Mutter Irina erzählt, die überhaupt erst den Anlass zu dieser Reise bilden.

Rosa Liksom gelingt es, mit wenigen Worten sehr viel zu erzählen. Oft sind es nur Andeutungen, Details, die in Gestalt von Ellipsen daherkommen, die vom Leben in der Sowjetunion erzählen. Vor allem ihre Beschreibungen der Landschaften und der vorbeiziehenden Städte sind enorm lebendig und so trostlos sie manchmal erscheinen, lassen sie doch eine Reisesehnsucht aufkommen, der man folgen möchte.

Alles in Allem

"Abteil Nr. 6" zu lesen, ist, als ob man in diesem Zug säße und die Landschaften fliegen vorbei und alles was davon bleibt, sind kleine Eindrücke, die sich am Ende zu einem großen Bild zusammensetzen lassen. Die Erzählung ist so dicht, dass es eine Weile braucht, bis man dieses große Bild vom Leben in der Sowjetunion der 1980er Jahre zusammengesetzt hat.

Bechdel-Test

Die Geschichte bietet nicht viel Raum für die Interaktion zweier Frauen, denn der größte Teil spielt sich zwischen den zwei Reisenden im Abteil ab. Dazu kommt, dass die Hauptfigur namenlos bleibt und meistens schweigt. Wenn sie spricht, wird ihre Rede nur in wiedergegebener Form angedeutet.
Auf der Erinnerungsebene gibt es Beschreibungen von Interaktion zwischen der jungen Frau und Mitkas Mutter Irina. Zwischen den beiden Figuren entwickelt sich ein lesbisches Verhältnis. Es wird deutlich, dass die beiden auch über Dinge sprechen, die sich nicht mit Männern befassen. Insgesamt kann großzügig mit [2/3] bewertet werden. 

Rosa Liksom
"Abteil Nr. 6"
Deutsche Verlags-Anstalt, 2013
224 Seiten


Gelesen: Deathless

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24. Juli 2013 von

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Russland hat eine lange Märchentradition. Die Märchenwelt wird von allerlei Gestalten bevölkert, von denen vielleicht Baba Yaga die bekannteste ist. "Deathless" verbindet in einzigartiger Weise das Märchen "Der Tod von Koschei dem Todlosen" mit der Geschichte Russlands im 20. Jahrhundert. Marya Morevna ist in diesem Roman ein junges Mädchen, dass von Koschei aus dem St. Petersburg der 1920er Jahre als Braut entführt wird und Ivan Nikolaevitch wird zum Soldaten der Roten Armee. Catherynne Valente hat hier eine Geschichte erschaffen, die nur so vor Blut trieft - so wie auch das 20. Jahrhundert.

'I will not get married.' Marya whispered.
 
'Easy to say, devotchka; not so easy to keep the house standing, when the wolf comes thumping his tail in the grass. Listen, Masha, listen to Old Zvonok who knows you. Prick your finger with a needle and let the blood fall over your threshold - it will hurt less. Men, they feel nothing like what we must endure. You have to make room in yourself for him, and that is the same as in a house as in a body. See that you keep some rooms for yourself, locked up tight. Just remember that the only question in a house is who is to rule. The rest is only dancing around that, trying not to look it in the eye.'
Darum geht es

Marya Morevna, aufgewachsen in St. Petersburg, ist die jüngste von vier Schwestern, die nacheinander von jungen Männern umworben wurden. Sie, die letzte unverheiratete Tochter, ist für Koschei vorgesehen, der in einer Winternacht des Jahres 1925 auftaucht und sie in sein Reich mitnimmt. Aber auch Koscheis Reich ist nicht mehr das, was es einmal war. Die Partei und ihre Genossen finden sich auch in dieser Märchenwelt an jeder Stelle wieder. Je grausamer der Verlauf der Weltgeschichte wird, umso heftiger und aussichtsloser wird der Kampf zwischen Koschei, Tsar of Life und Vyi, Tsar of Death und Marya Morevna steckt mittendrin.

Das meine ich

"Deathless" bewegt sich fernab der Tolkien'schen Tradition - nicht nur in Bezug auf das Sujet, sondern vor allem auch in seiner Sprache. Die Poesie der Märchensprache verbindet sich mit der Beschreibung der harten Fakten der russischen Geschichte zu einem wilden Traum. Wann immer Marya auf Koschei trifft, wird das Begehren der beiden Figuren fassbar und verdichtet sich zu einer dunklen, gewaltbereiten Erotik, die so gar nichts mehr mit den höfischen Liebesvorstellungen anderer Fantasyromane zu tun hat. An jeder Ecke wimmelt es von Dämonen, Geistern und Märchenwesen, die auf groteske Art und Weise die Bürokratie der Stalin-Ära imitieren. Auch in Koscheis Reich gilt: Was in deiner Akte steht ist die Wahrheit und kann schneller deinen Tod bedeuten, als du denkst.

Alles in Allem

Wer von Fantasyromanen voller positiver Helden, Elben und Orks mal die Nase voll hat, sollte sich "Deathless" zu Gemüte führen. Alles an diesem Roman ist dunkel, teilweise brutal und vor allem deshalb so wirklich, weil Koscheis Reich nur ein Spiegel ist für den Horror von Krieg und Deportation im Russland des 20. Jahrhunderts.

Bechdel-Test
Auch wenn ein großer Teil der Handlung sich vorrangig mit der Frage "Who is to rule?" in Sachen Ehe beschäftigt, gibt es hier und da Momente, in denen 2 Frauengestalten sich anderen Dingen widmen - am herausragendsten vielleicht die Konversationen zwischen Marya Morevna und Baba Yaga. Das Ergebnis sind volle [3/3].


"Deathless"
Catherynne M. Valente
Corsair, 2011
352 Seiten


Gefragt: Montagsfrage 4

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23. Juli 2013 von



Diese Woche lautet die Frage auf paperthin.de: Hörst du Musik beim Lesen?

Und wieder ist meine Antwort ein klares Nein. Lesen ist ein Prozess, der an die 100 % meiner Aufmerksamkeit beansprucht und ich empfinde Nebengeräusche dann als sehr störend. Spätestens nach einigen Minuten nehme ich sie dann nicht mehr wahr, wenn ich einen guten Tag habe. Würde Musik nebenbei laufen, wäre sie also vollkommen an mich verschwendet. Gute Musik sollte man hören und nicht nebenbei laufen lassen.



Gelesen: Preussens Luise

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20. Juli 2013 von

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Wer sich ein wenig mit der Literatur der DDR befasst hat oder an der Geschichte Preußens interessiert ist, wird den Namen Günter de Bruyn schon gehört haben. Der 1926 geborene Schriftsteller ist nicht nur für seine realistischen Romane bekannt, sondern auch für seine formvollendeten Essays, zu denen auch "Preussens Luise. Vom Entstehen und Vergehen einer Legende" gehört. 

Kurzweilig gibt dieser Essay einen Überblick über das Leben der mecklenburgischen Prinzessin Luise - Frau des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III., Mutter des späteren deutschen Kaisers Wilhelm I. Diese früh verstorbene Königin wurde schon in ihrer Zeit und vor allem nach ihrem Tod veehrt und galt als Lichtgestalt der preußischen Geschichte. Ihre Begegnung mit Napoleon in Tilsit ist legendär.

Günter de Bruyn hat für seinen Essay viele Zeugnisse und Dokumente zum Leben der preußischen Königin zusammengetragen und verwebt sie mit seiner eigenen Sprache zu einem umfassenden Bild. Dabei legt er die Wurzeln dieser Verehrung offen, unterlässt es aber, selbst zu sehr ins Schwärmen zu geraten. Ergänzt wird der Text durch die vielen Abbildungen der Gemälde, Skulpturen und Skizzen, die die Königin zeigen.

Als Einblick in ein Kapitel der preußischen Geschichte ist "Preussens Luise" uneingeschränkt zu empfehlen und kann als Startpunkt für ein tieferes Studium der preußischen Geschichte dienen. Die Literaturliste im Anhang bietet dazu viele Möglichkeiten.

Günter de Bruyn
Preussens Luise. Vom Entstehen und Vergehen einer Legende
Siedler Verlag, 2001
144 Seiten


Gefragt: Montagsfrage 3

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15. Juli 2013 von


In dieser Woche lautet die Frage: Liest du mehrere Bücher parallel?

Nein, eigentlich nicht. Es kann vorkommen, dass ich ein Buch lese, ein neues Buch bekomme und dort schon mal hineinlese. Allerdings entscheide ich mich dann für das eine oder andere Buch. Ausnahmen gibt es natürlich immer dann, wenn ich im Rahmen des Studiums Bücher lese.

Mehr Antworten findet ihr bei paperthin!


Gelesen: Am Anfang war die Nacht Musik

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14. Juli 2013 von

Ein ganzer Roman über Musik, über einen Wunderarzt und die Wiener Gesellschaft im 18. Jahrhundert - Alissa Walser hat es damit in den ZEIT Wissenschaftsroman-Kanon geschafft. "Am Anfang war die Nacht Musik" schildert in einer sehr eigenwilligen Sprache, wie der Wiener Arzt Franz Anton Messmer die blinde Pianistin Maria Theresia Paradies heilen soll und scheitert.


In ihre Locken sind Bänder und Schleifchen geflochten. Und Glöckchen. Die führen rings herum wie eine Prozession.
Mesmer umkreist sie wie einen Planeten. Was ist falsch? Der Planet muss um den Stern kreisen. Und sich drehen dabei. Der Stern will die Seiten sehen. Alle. Auch die dunkelsten. [...] Der dramatische Faltenwurf ihres himmlischen Kleides, die Risse in der pudrigen Maske, die blassblau gesprenkelten Eierschalen in ihrem Haar. Nichts als eine Inszenierung des Wahren im Wirklichen, denkt er. Und natürlich alles gut gemeint. 
Darum geht es

1777 praktiziert der bekannte Arzt Franz Anton Mesmer in Wien und versucht mit seiner neuen magnetischen Methode Patienten zu heilen. Was ihm jedoch noch fehlt ist die Aufmerksamkeit und das Wohlwollen der Kaiserin selbst. Als die Eltern der blinden Pianistin Maria Theresia Paradies ihn bitten, die Tochter mithilfe seiner Wundermethode zu heilen, scheint sich die Chance zu bieten, endlich aufzusteigen. Schnell erkennt Mesmer, wie er sich seiner Patientin nähern kann und es entsteht eine höchst persönliche Beziehung zwischen diesen beiden Menschen. 

Das meine ich

Schnell wird klar, dass die Blindheit der Pianistin Maria Theresia nicht körperlich bedingt ist, sondern vielmehr Ausdruck einer psychischen Qual. Und auch wenn dem Arzt Mesmer die heute bekannten Grundlagen der Psychoanalyse und deren Begrifflichkeiten fehlen, so entwickelt sich zwischen Arzt und Patientin schnell eine Situation, die der heutigen Gesprächstherapie entspricht. Die Beziehungen der Figuren zueinander und ihre Selbstbetrachtung steht im Vordergrund; die Geschichte des Romans ist nur ein Rahmen für Reflexionen über Erziehung, den eigenen Körper und Sexualität (insbesonders weiblicher Sexualität).
Überhaupt ist die Art des Erzählens das stärkste Element des Romans. Statt des üblichen Präteritums wird als Zeitform Präsens verwendet. Wenn Maria sich Mesmer langsam öffnet kann man ihr Zögern förmlich in den Ellipsen und Ein-Wort-Sätzen greifen. Die Grenze zwischen Gespräch und Innenansichten verschwimmen und werden auch typographisch kaum markiert. Direkte Rede erscheint nicht mit Anführungszeichen, sie wird vielmehr in wiedergegebener Form direkt in den Erzähltext integriert. 

Bechdel-Test

Alle Kriterien sind erfüllt. [3/3]

Es gibt mehrere Gespräche zwischen namentlich bekannten Frauenfiguren (Maria und ihre Mutter, Maria und Katrine), in denen es nicht um Männer geht. Allerdings bleibt das Umfeld der Figuren deutlich männlich geprägt und den größten Raum nimmt die Beziehung zwischen Maria Theresia Paradies und dem Arzt Messmer ein. Diese ist jedoch nicht von sexuellen Bezügen zwischen den beiden geprägt. 

Alles in Allem

"Am Anfang war die Nacht Musik" besticht vor allem durch seine eigensinnige Sprache, die viel Raum für eigene Interpretation lässt. Allerdings kann der Roman nicht völlig überzeugen und gehört zu den schwächeren Werken in der Reihe der ZEIT-Wissenschaftsromane. 


Alissa Walser
Am Anfang war die Nacht Musik
Piper, 2010
256 Seiten
mehr Kritiken auf Lovely Books


Gefunden: Bücher im Baum

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13. Juli 2013 von

Hier in Greifswald kann man auch an Bücher kommen, ohne dass es viel Geld kosten muss und ohne, dass die Bibliotheken geöffnet sind. Denn es gibt Orte in der Stadt, an denen jeder Bücher mitnehmen und abgeben kann - so dass andere Menschen sie lesen können.

Der erste Ort befindet sich am Pariser in der Kapaunenstraße. Rechts neben dem Pariser selbst befindet sich ein Kasten, der in den Zaun eingebaut ist und dem sich eigentlich immer Bücher befinden, die lohnenswert erscheinen. Außerdem steht Greifswalds Bücherbaum inzwischen in Wieck - an der Bushaltestelle neben der Wiecker Brücke. Wie immer ist er gut gefüllt und als Person unter 1,80 fällt es schwer, auch an die obersten Fächer heranzukommen. Ich weiß leider nicht, wie lange er dort stehen wird, bevor er wieder an einen anderen Ort in der Stadt wandert. Die Bücher liegen in Fächern, die durch Plexiglasscheiben verschlossen werden, so dass nichts durch Wind und Regen beschädigt werden kann. Das Projekt wurde übrigens von den Bücherfreunden Greifswald e.V. gestartet.

Die Idee, Bücher kostenfrei an andere Menschen weiterzugeben, gibt es schon lange in verschiedenen Formen. Neben den Little Free Libraries, die Menschen selbst bauen und an ihre Grundstücksgrenzen stellen, existieren an vielen Orten inzwischen Bücherbäume, die entweder so mobil sind wie in Greifswald, oder aber an einer Stelle bestehen bleiben

Der Wiecker Bücherbaum jedenfalls hat mir ein schönes Geschenk gemacht, als ich in einem seiner Fächer Philipp Pullmans "His Dark Materials" gefunden habe. Sogar komplett.

 photo buumlcherbaum.png


Leider scheint es noch keine umfassende Übersicht zu geben, wo genau sich in Deutschland die Bücherbäume befinden. Gibt es in Euer Stadt auch solche Bäume? Wie sehen sie aus?


Gelernt: Bechdel-Test

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10. Juli 2013 von

Darüber, wie Frauen in Werken fiktionaler Natur dargestellt werden, haben schon viele Menschen - Männer wie Frauen - nachgedacht. Dass weibliche Figuren lange Zeit fast ausschließlich über ihre Beziehungen zu männlichen Figuren definiert wurden, verwundert angesichts der sozialen Verhältnisse vergangener Epochen nicht. Dass sich aber an dieser Darstellungsweise grundlegend noch nicht sehr viel geändert hat, überrascht. Allerdings hat nicht jeder Mensch die Lust oder Zeit, sich erst Gedanken darüber zu machen, ob die Darstellung der weiblichen Figuren ansprechend gestaltet sind, Hier bietet sich der Bechdel-Test an, der ein erster Indikator für die Figurendarstellung sein kann.

Dieser Test entstand 1985 in Alison Bechdels Comic Dykes to Watch out for. In seiner einfachsten Variante gibt er drei Parameter vor:
  1. Es existieren 2 [namentlich bekannte] weibliche Figuren,
  2. die miteinander ein Gespräch führen,
  3. in dem es nicht um Männer geht.
Eigentlich eine ganz einfache Sache, möchte man meinen, und vielleicht im Jahr 2013 auch eine Selbstverständlichkeit? Auf der Webseite bechdeltest.com werden schon seit einigen Jahren Filme nach diesen Parametern bewertet und aufgelistet. Wirft man einen Blick auf die Bewertungen der aktuellen Box Office Liste (laut imdb.com) sieht es so aus:
Despicable Me 2 (3/3), Lone Ranger (1/3), Heat (3/3), Monsters University (1/3), World War Z (3/3 although dubious), White House Down (2/3), Man of Steel (3/3 although dubious), Kevin Hart: Let me explain (no rating), This is the End (1/3), Now you see me (1/3)
Aus 10 Filmen schaffen es 4 alle 3 Anforderungen zu erfüllen, wobei 2 Filmen dabei bescheinigt wird, dass die Bewertung nicht ganz eindeutig ist; in World War Z sind es die Töchter die ein paar Zeilen sprechen, bei Man of Steel sind es nur sehr wenige Einzeiler. 5 Filme erreichen nicht 3 Punkte, einer wurde noch nicht bewertet. 
Natürlich ist der Bechdel-Test kein Mittel um zu zeigen, wie feministisch ein Film ist. Auch kann er nicht sagen, wie sich die Beziehungen zwischen den Figuren im Einzelnen gestalten. "Twilight" wird zum Beispiel ein Ergebnis von 3/3 bescheinigt und trotzdem sollte jeder Frau klar sein, dass diese Art von Beziehung auf grundlegend falschen Verhaltensmustern basiert. Aber der Test kann doch zumindest darauf hinweisen, dass Frauenrollen häufig noch immer Traditionen verhaftet sind, die der Lebensrealität von 2013 nicht entsprechen (sollten).

Ob und inwieweit sich der Test auf Literatur übertragen lässt, bleibt offen. Ich werde ihn in Zukunft auf meine Rezensionen von Romanen und Novellen anwenden und sehen, welche Ergebnisse dabei entstehen. 


Gefragt: Montagsfrage 2

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Auch Mittwoch ist eigentlich nicht Montag. Trotzdem: Diese Woche lautet die Frage von paperthin Welche Dinge könnt ihr nicht mehr lesen? 

Wenn man die Beiträge der anderen Teilnehmer liest, stellt man schnell fest, dass über einige Dinge Konsens herrscht und ich kann mich da so Manchem nur anschließen:

  • männliche Hauptfiguren, die sich wie Stalker benehmen und und weibliche Hauptfiguren, die das auch gut finden. Im realen Leben würden wir alle wahrscheinlich nicht so locker damit umgehen.
  • Wiederholungen, Wiederholungen, Wiederholungen. Wenn Figuren anderen Figuren wiederholt den Inhalt der letzten 20 Kapitel noch einmal erzählen, wenn Figuren die immer gleichen Gesten machen und der Autor sie wiederholt in den gleichen Worten beschreibt. Oder noch eine Stufe höher - Autoren, die eigentlich immer wieder die gleichen Bücher schreiben, nur mit anderem Setting und anderen Figurennamen

Und von Herrn Aussicht wurde gerade angeregt:

  • pseudomittelalterliches Geschwätz in Fantasy-Romanen. Nein, "Handgeklapper" ist kein altes Wort, sondern eine Mittelaltermarkt-Neuschöpfung. Glaubt nicht, man hätte früher geredet wie diese Schauspieler auf den Märkten. 


Geknipst: Kurische Nehrung

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9. Juli 2013 von

 photo DSCN1736.jpg


Gelesen: Meine Ostsee

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 photo DSCN0899.jpg Die Stadtbibliothek Greifswald bietet eine Reihe Bücher mit regionalen Inhalten. Neben Büchern zu Vorpommern gibt es auch Romane, Anthologien und Sachbücher zur restlichen Ostseeregion. Ich habe mir in der letzten Woche einige davon mitgenommen, denn Vorpommern ist inzwischen so zu meiner Heimat geworden, dass Literarisches zur Region genau das Richtige für mich ist. Nummer eins in der Reihe ist "Meine Ostsee. Literarisches von Flensburg bis Usedom", herausgegeben von Gregor Grumpert und Ewald Tucai.

[...] - und da liegt Mütterchen Ostsee. Die Straße führt durch Haffkrug, Scharbeutz, Timmendorfer Strand.
Wir sind im Herbst, und Villen, Hotels und Kurhäuser stehen leer; nur hier und da ragt noch ein Strandkorb mit Wimpeln und einer Fahne; die Manikürfräulein sitzen gelangweilt vor den Frisiersalons in der Sonne und putzen sich selber die Nägel, um nicht aus der Übung zu kommen; Hunde lungern herum und schnüffeln in alten Zeitungen, lesen und heben ein Bein, die Ostsee ist eigentlich schon zugedeckt.

Darum geht es

Kurt Tucholsky, aus dessen Skizze "Fahrt ins Glück" das Zitat stammt, ist nur einer der vielen Autoren, die die beiden Herausgeber zusammengetragen haben, um diese kurzweilige Anthologie zu füllen. Die Texte stammen aus einem Zeitraum ab Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart. Nicht nur berühmte Autoren kommen hier zu Wort, sondern auch solche, die heute nur noch wenig bekannt sind. Viele von ihnen sind auf die eine oder andere Weise mit den beschriebenen Gegenden verbunden, andere kommen zur Erholung an die Ostsee. In den 7 Kategorien finden sich so Texte, in denen über Quallen nachgedacht wird (Alfred Kerr - "Quallen"), Briefe aus dem Urlaub (Rainer Maria Rilke, Franziska Gräfin zu Reventlow), romantische Volkssagen (Adelbert von Chamisso) und sehnsuchtsvolle Texte, die die Heimat beschreiben (Ernst Moritz Arndt, Thomas Mann).

Das meine ich

Die Texte in "Meine Ostsee" sind so vielfältig wie das Meer selbst. Heiteres steht neben Ernsthaftem; es finden sich private Beobachtungen, Geschichtliches, Lyrik - für jeden Leser sollte das Richtige dabei sein. Im besten Fall schlägt man am Ende die Namen und Daten der Schriftsteller nach und liest in ihren Büchern weiter; im schlechtesten Fall hat man ein paar entspannte Stunden mit Texten verbracht, die das Meer in greifbare Nähe rücken.

Alles in Allem

Eine schöne Anthologie, die man zu jeder Jahreszeit wieder zur Hand nehmen kann und die Lust macht, neue Autoren zu entdecken.

Meine Ostsee. Literarisches von Flensburg bis Usedom
Gregor Gumpert/Ewald Tucai
Wachholtz Verlag Neumünster 2013
247 Seiten


Gefragt: Montagsfrage 1

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6. Juli 2013 von


Besser spät als nie - die Montagsfrage wird zur Samstagsfrage und in dieser Woche lautet sie: Welches Buch ist dein Halbjahresfavorit 2013?

Dieses Jahr war ich nicht sehr vorbildlich beim Führen meiner Leseliste; deswegen musste ich darüber ein bisschen länger nachdenken. Es kommen einige Bücher in Frage, weswegen ich mich kaum entscheiden kann. Am Ende habe ich mich dann für Michael Kumpfmüllers "Die Herrlichkeit des Lebens" entschieden, denn dieser feine Roman über Kafkas letzte Jahre ist mir lange im Gedächtnis geblieben. Vielleicht ist es eines der wenigen Bücher, die doch noch ein zweites oder drittes Mal lesen werde. 



Gekocht: Vegan Sandwiches save the Day!

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5. Juli 2013 von

Vorweg möchte ich kurz bemerken, dass ich weder Veganerin noch Vegetarierin bin. Aber trotzdem brauche ich zu vielen Mahlzeiten kein Fleisch und habe Freunde, die sich vegetarisch oder vegan ernähren oder an Lebensmittelallergien leiden. Damit das Essvergnügen für alle möglich wird, sammle ich Rezepte und Kochbücher, die alle Kriterien erfüllen.
"Vegan Sandwiches save the Day!" von Celine Steen und Tamasin Noyes ist eine Buchentdeckung, die ich auf dem Blog  Vegan Eats & Treats gemacht habe, dem zu folgen übrigens sehr lohnenswert ist. 


Was ist drin?

Wie der Titel schon verrät geht es in diesem Buch nur um Rezepte für Sandwiches, die sich allerdings doch häufig von dem unterscheiden, was ich und Menschen meiner Umgebung als Sandwich definieren. Die Rezepte werden in Kategorien geordnet und jedes Kapitel beschäftigt sich mit einer Gruppe, z.B. Sandwiches fürs Frühstück, süße Sandwiches, kalte Sandwiches für jede Gelegenheit und klassische Rezepte in veganer Abwandlung. Am Ende findet sich noch ein ausführliches Kapitel zum Thema Brotteig mit Rezepten für mehrere Sorten.


Was habe ich ausprobiert?

"Berry-stuffed French Toast Pockets" und "Cinnamon Swirl Bread"

Ich habe in diesem Fall das Brot mit dem Rezept für die Taschen kombiniert. Die Anleitungen waren beide sehr verständlich und wer sich eine Tabelle für die Umrechnung amerikanischer Einheiten dazulegt, sollte gar kein Problem haben. Das Zimtbrot schmeckt ganz wunderbar, ist schön fluffig und hält sich auch eine Weile. Zusammen mit der Beerenfüllung und dem Ahornsirup war das ein perfektes Frühstück.

"Green Monster Bread"
Ich habe das Brot lieber als Bötchen gebacken und das war auch eine gute Entscheidung. Es macht unglaublich satt und man kann es mit allen möglichen Dingen belegen, denn wirklich nach Spinat schmeckt es nicht. Wenn man es als Brötchen bäckt, kann man die Hälfte auch einfach einfrieren, denn dieses Brot bleibt nicht sehr lange frisch. Lecker ist es dennoch auch am 2. oder 3. Tag noch.

Mehr konnte ich leider noch nicht ausprobieren, da meine eigene Küche nicht mal einen Backofen hat.

Bewertung

"Vegan Sandwiches save the Day!" verdient seine 5 Kochlöffel absolut. Die Brotteigrezepte sind großartig, die Rezepte der Sandwiches köstlich und die Aufmachung übersichtlich strukturiert mit klaren Anweisungen. Mit ca. 15 € für die Taschenbuchausgabe beim lokalen Buchhändler eine lohnende Investition.

Vegan Sandwiches save the Day!
Celine Steen, Tamasin Noyes 
Fair Winds Press 2012
192 Seiten
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Gedacht: Lesen lernen!

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3. Juli 2013 von

Fast alle Menschen in diesem Land haben in der Schule Lesen und Schreiben gelernt. Im Verlauf ihrer Schuljahre sind sie von mal mehr, mal weniger guten Deutschlehrern dazu aufgefordert worden Bücher zu lesen und zu interpretieren. Viele von uns haben in dieser Zeit sicher auch gern auf so genannte Lektüreschlüssel und die guten alten Reclam-Interpretationen zurückgegriffen. Und manche von uns sind mit ihren eigenen Denkansätzen an der Unflexibilität ihrer Deutschlehrer gescheitert. Nur kritisches Lesen haben wir fast alle nicht gelernt.

Vielen ist das Lesen an sich im Unterricht so vermiest worden, dass sie es ganz oder fast völlig aufgegeben haben. Jedes Buch wird zur Qual und wenn der Name des Autors schon einen Klassiker impliziert, ergreift der Mensch die Flucht. "Klassiker zu lesen ist nur was für Germanistik-Studentinnen," so wird argumentiert, "alle anderen interessiert das doch nicht!" Wenn dann Bücher doch zur Hand genommen werden, dann wird nicht gelesen - es wird konsumiert. Natürlich ist Unterhaltungsliteratur dazu da so gelesen zu werden. Sie ist wenig anstrengend, schnell zu lesen und einfach aufgebaut. Es spricht nichts gegen sie und ich kenne niemanden, der nicht gern Unterhaltungsromane liest, denn man kann nicht immer ein denkender Leser sein.

Die Gefahr besteht nur darin, dass man sich in seiner Lesekomfortzone einrichtet. Wenn man sich ein neues Buch aussucht, dann weiß man schon, was man bekommt: der eine liest seichte Liebesgeschichten von Danielle Steele und Nicolas Sparks, der andere verschlingt einen Krimi nach dem anderen - immer in der Sicherheit, dass so etwas Monströses in seiner Lebenswelt nicht vorkommen kann. Und am Ende wird der Mörder ja auch immer gefasst. Die Schemata der Handlungen sind bekannt, die Gefühlslage reproduzierbar und Lesen wird zur Entspannung. 

In der Literaturwissenschaft heißt es: Literatur imitiert die Wirklichkeit -sie ist Mimesis. Sie unterscheidet sich darin, wie sie die Wirklichkeit darstellt - genauso wie Maler über die Jahrhunderte verschiedene Malstile erfunden haben. Im Kern aber bildet sie die Wirklichkeit ab. Und die Realität ist eben nicht immer schön. Viele Autoren haben unter Gefahr für Eigentum und Leben geschrieben, sie haben die Misstände ihrer Zeit aufgedeckt und kritisiert. So sind Bücher entstanden, die wir nicht in das Fach der Unterhaltungsliteratur stecken können. Sie verlangen nach einem aufmerksamen, nach einem kritischen Leser. Im besten Fall bleiben sie bei uns, manchmal sogar ein Leben lang. Es gibt Bücher, über die man Jahre nachdenken kann. Es gibt Bücher, deren Handlung uns abstoßen müsste - wie Nabokovs "Lolita" - und die wir dennoch lesen. Sie sind schmerzhaft, unbequem, beängstigend und sie eröffnen uns einen Blick auf die Realität, den wir bisher vielleicht nicht kannten. Wir lernen aus ihnen, sie vermitteln uns Werte und Moralvorstellungen und bringen uns im besten Fall dazu, über uns selbst und die Welt in der wir Leben nachzudenken. Nicht umsonst haben die Nationalsozialisten 1933 Bücher verbrannt. Bücher können gefährlich sein.

Deshalb soll mein Appell sein: Lernt kritisches Lesen! Verlasst eure Lesekomfortzone und wagt euch vor in Gebiete, die ihr lange nicht gelesen habt - oder vielleicht noch nie? Vergesst eure Deutschlehrer, vergesst die Lektüreschlüssel und Interpretationen und lest die Bücher vorbehaltslos. Scheitern ist erlaubt und unumgänglich. Nicht jeder Autor wird euch gefallen und muss es auch gar nicht. Beginnt mit Büchern, die nah an dem sind, was euch bisher interessiert hat. Gebt nicht gleich auf, wenn euch das Lesen schwer fällt, wenn es nur langsam voran geht oder euch langweilig erscheint. Dann versucht euch ein Ziel zu setzen: Ich lese mindestens 50 Seiten, wenn es dann noch doof ist, lege ich es wieder weg. Geht in die Bibliothek und fragt gezielt nach Büchern. Und wenn ihr sie gelesen habt, dann sprecht darüber - mit euren Partnern, mit Freunden, Eltern, im Lesekreis, schreibt darüber in euren Blogs. Reflektiert, was ihr gelesen habt. Traut euch, ein kritisches Urteil abzugeben. 


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