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Gedacht: Lesen lernen!

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3. Juli 2013 von

Fast alle Menschen in diesem Land haben in der Schule Lesen und Schreiben gelernt. Im Verlauf ihrer Schuljahre sind sie von mal mehr, mal weniger guten Deutschlehrern dazu aufgefordert worden Bücher zu lesen und zu interpretieren. Viele von uns haben in dieser Zeit sicher auch gern auf so genannte Lektüreschlüssel und die guten alten Reclam-Interpretationen zurückgegriffen. Und manche von uns sind mit ihren eigenen Denkansätzen an der Unflexibilität ihrer Deutschlehrer gescheitert. Nur kritisches Lesen haben wir fast alle nicht gelernt.

Vielen ist das Lesen an sich im Unterricht so vermiest worden, dass sie es ganz oder fast völlig aufgegeben haben. Jedes Buch wird zur Qual und wenn der Name des Autors schon einen Klassiker impliziert, ergreift der Mensch die Flucht. "Klassiker zu lesen ist nur was für Germanistik-Studentinnen," so wird argumentiert, "alle anderen interessiert das doch nicht!" Wenn dann Bücher doch zur Hand genommen werden, dann wird nicht gelesen - es wird konsumiert. Natürlich ist Unterhaltungsliteratur dazu da so gelesen zu werden. Sie ist wenig anstrengend, schnell zu lesen und einfach aufgebaut. Es spricht nichts gegen sie und ich kenne niemanden, der nicht gern Unterhaltungsromane liest, denn man kann nicht immer ein denkender Leser sein.

Die Gefahr besteht nur darin, dass man sich in seiner Lesekomfortzone einrichtet. Wenn man sich ein neues Buch aussucht, dann weiß man schon, was man bekommt: der eine liest seichte Liebesgeschichten von Danielle Steele und Nicolas Sparks, der andere verschlingt einen Krimi nach dem anderen - immer in der Sicherheit, dass so etwas Monströses in seiner Lebenswelt nicht vorkommen kann. Und am Ende wird der Mörder ja auch immer gefasst. Die Schemata der Handlungen sind bekannt, die Gefühlslage reproduzierbar und Lesen wird zur Entspannung. 

In der Literaturwissenschaft heißt es: Literatur imitiert die Wirklichkeit -sie ist Mimesis. Sie unterscheidet sich darin, wie sie die Wirklichkeit darstellt - genauso wie Maler über die Jahrhunderte verschiedene Malstile erfunden haben. Im Kern aber bildet sie die Wirklichkeit ab. Und die Realität ist eben nicht immer schön. Viele Autoren haben unter Gefahr für Eigentum und Leben geschrieben, sie haben die Misstände ihrer Zeit aufgedeckt und kritisiert. So sind Bücher entstanden, die wir nicht in das Fach der Unterhaltungsliteratur stecken können. Sie verlangen nach einem aufmerksamen, nach einem kritischen Leser. Im besten Fall bleiben sie bei uns, manchmal sogar ein Leben lang. Es gibt Bücher, über die man Jahre nachdenken kann. Es gibt Bücher, deren Handlung uns abstoßen müsste - wie Nabokovs "Lolita" - und die wir dennoch lesen. Sie sind schmerzhaft, unbequem, beängstigend und sie eröffnen uns einen Blick auf die Realität, den wir bisher vielleicht nicht kannten. Wir lernen aus ihnen, sie vermitteln uns Werte und Moralvorstellungen und bringen uns im besten Fall dazu, über uns selbst und die Welt in der wir Leben nachzudenken. Nicht umsonst haben die Nationalsozialisten 1933 Bücher verbrannt. Bücher können gefährlich sein.

Deshalb soll mein Appell sein: Lernt kritisches Lesen! Verlasst eure Lesekomfortzone und wagt euch vor in Gebiete, die ihr lange nicht gelesen habt - oder vielleicht noch nie? Vergesst eure Deutschlehrer, vergesst die Lektüreschlüssel und Interpretationen und lest die Bücher vorbehaltslos. Scheitern ist erlaubt und unumgänglich. Nicht jeder Autor wird euch gefallen und muss es auch gar nicht. Beginnt mit Büchern, die nah an dem sind, was euch bisher interessiert hat. Gebt nicht gleich auf, wenn euch das Lesen schwer fällt, wenn es nur langsam voran geht oder euch langweilig erscheint. Dann versucht euch ein Ziel zu setzen: Ich lese mindestens 50 Seiten, wenn es dann noch doof ist, lege ich es wieder weg. Geht in die Bibliothek und fragt gezielt nach Büchern. Und wenn ihr sie gelesen habt, dann sprecht darüber - mit euren Partnern, mit Freunden, Eltern, im Lesekreis, schreibt darüber in euren Blogs. Reflektiert, was ihr gelesen habt. Traut euch, ein kritisches Urteil abzugeben. 


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