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Brigitte Reimann - Franziska Linkerhand

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17. Juni 2015 von

Franziska Linkerhand  - was ist es denn nun eigentlich?

Ein Liebesroman? Ich gebe zu, ja, da ist Ben, da ist das Zimmer in Berlin. Da sind die kitschigen Szenen mit heißen Küssen und Schutz unter der olivgrünen Windjacke. An Männern mangelt es wahrlich nicht in diesem Roman und wer genau hinschaut, erkennt schnell, dass schon die Erzählweise verrät, welche Männer sexuelles Begehren für Franziska empfinden. Nur der Vater, dieser Intellektuelle aus dem 19. Jahrhundert, ist davon ausgenommen. Alle anderen sind von der Lust getrieben und Franziska kennt ihr Innenleben. 



Ein Produktionsroman? Das mag man zu Beginn glauben, aber Franziska Linkerhand ist nicht Ankunft im Alltag, auch wenn die Kritiker der DDR das gern so gesehen hätten. Walter Lewerenz hätte noch so viel schreiben können davon, dass die Reimann ein positives Ende wollte, in dem Franziska nach Neustadt zurückkehrt. Am Ende wissen wir es doch nicht, denn Brigitte Reimann hatte keine Zeit mehr, den Schluss zu schreiben. Und so können wir nur hypothetisch über einen Schluss sprechen, den es nicht gibt.

Ist es ein Frauenroman? Auch Frauen gibt es einige in Franziska Linkerhand und die Autorin gibt ihnen nicht nur eine, sondern viele Stimmen, denn auch Franziskas Abschiedsbrief ist ein Chor: Hier spricht nicht nur die Franziska, die in Neustadt gescheitert ist, hier spricht auch die jugendliche Franziska, die liebende, die hassende, die rasend eifersüchtige, die desillusionierte, die entfremdete Franziska. Sie tut es in der Form des "ich" und des "sie", im Präteritum und im Präsens und sie lässt andere sprechen. Zum Beispiel Gertrud, gegen deren trostloses Leben Franziskas Scheitern sich ausnimmt wie ein tiefer Kratzer gegen einen Bauchschuss. Die Freundfeindin sieht am Ende keinen Ausweg mehr und wählt den Freitod.

Am Ende bleibt die Feststellung, dass Franziska Linkerhand all das ist und noch viel mehr. 10 Jahre hat Brigitte Reimann an diesem letzten Buch, an ihrem "Experiment" geschrieben. Sie war sich nie sicher, ob ihr "Unglücksbuch" jemals veröffentlicht wird und wir haben es anderen zu verdanken, dass das Manuskript nicht verloren gegangen und Franziskas Stimme ungehört geblieben ist. Noch wichtiger ist dabei die Neuausgabe des Romans von 1998, in der die Kürzungen und Zensuren rückgängig gemacht wurden und damit die eigentliche Franziska wieder zu Tage tritt. Und als "Experiment" sollten wir es auch lesen und dabei nicht vergessen, dass hier eine Autorin bis zu ihrem Tod geschrieben hat und keine Zeit mehr blieb, den Text zu ordnen und straffen. Aber genau darin liegt vielleicht der Reiz von Franziska Linkerhand. Es ist wahrlich kein einfaches Buch, aber ein lohnenswertes ist es doch allemal.


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