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Eine eigene Geschichte. Frauen in Europa.

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13. Februar 2015 von

Normalerweise bin ich kein Freund von Sachbüchern und ich lese sie nur sehr selten zu meinem persönlichen Vergnügen. Letztens aber, in einem kleinen Seminar, in dem es um feministische Kritik ging und auch um die Frage, ob es überhaupt eine écriture feminine geben kann und wie sie aussehen sollte (wer Gedanken dazu hat, äußere sie jetzt unten in den Kommentaren!), habe ich mir die Frage gestellt, ob es überhaupt eine weibliche Kulturgeschichte gibt. Ich hatte ziemlich Glück und aus der Richtung des Professors kam direkt auch ein Tipp, dem ich per Antiquariat schnell gefolgt bin.

Die amerikanischen Historikerinnen Bonnie S. Anderson und Judith P. Zinsser haben genau das verfasst, wonach ich gesucht habe: "Eine eigene Geschichte - Frauen in Europa" besteht aus 2 Bänden. Der erste beschäftigt sich mit der Früh- geschichte bis zum 18. Jahrhundert, der zweite dann vom Absolutismus bis zur Gegenwart ausschließlich mit den Lebens- umständen und kulturellen Leistungen von Frauen.  Statt die üblichen wenigen Verdächtigen von Kleopatra über Boudica bis hin zu Rosa Luxemburg in den Mittelpunkt zu stellen, haben die Autorinnen die Kapitel nach Ständen angelegt. 

Im ersten Band sind es dann die einfachen Frauen auf dem Land, in der Kirche, auf den Schlössern und Gutshöfen und in den Städten, um deren alltägliches Leben sich die Geschichtsschreibung der Autorinnen gruppiert. Diese Herangehensweise hat in meinen Augen große Vorteile, denn sie verhindert, dass wir als LeserInnen nur einen Einblick in das Leben weniger, sehr privilegierter Frauen erlangen. Stattdessen breitet sich ein ganzes Panorama von Themen vor uns aus, dass von der Haushaltsführung über Familienplanung bis hin zu Bildungsfragen reicht.

Durchgehend immer wieder wird die Verteilung der Macht in der Gesamtgesellschaft thematisiert, die über die Jahrhunderte Frauen mal mehr und mal weniger die Möglichkeit bot, in einer patriarchalischen Umgebung eigenständig und ungehindert zu handeln. Die Autorinnen beziehen in ihre Überlegungen zu den Gründe der Unterdrückung von Frauen neben historischen, auch psychologische, anthropologische, biologische und soziologische Herangehensweisen mit ein. 

Dabei sind die beiden Bände in einer klaren und unkomplizierten Sprache verfasst, die das Lesen zur Freude macht. Die Informationsfülle ist enorm und regt dazu an, das Buch auch nach einem Kapitel mal zur Seite zu legen und das Gelesene zu verarbeiten oder in einer der zahlreichen genannten Quellen weiter zu lesen und die Meinung der Autorinnen zu hinterfragen. Gerade im ersten Kapitel des ersten Bandes, in dem die Autorinnen über eine matriarchalisch geregelte Urgesellschaft und ihre Veränderung zugunsten eines Patriarchats spekulieren, finden sich viele Stellen, die durchaus kritikwürdig sind. Auch wenn wir als LeserInnen, diesen Ausführungen vielleicht nicht zustimmen können, lohnt sich die Lektüre von "Eine eigene Geschichte - Frauen in Europa" sehr.

Beide Bänder gibt es für relativ wenig Geld z. B. über ZVAB.


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