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Christian Kracht - Imperium

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4. Oktober 2014 von

via Fischer
Als Imperium erschien, ging das und auch die folgende Debatte ganz an mir vorbei. Erst jetzt, 2 Jahre nach seinem Erscheinen habe ich diesen Roman gelesen. Und dann habe ich ihn noch einmal gelesen. Und mich gewundert - über Georg Diez, der mit "Die Methode Kracht" eine Rezension im Spiegel geschrieben hat, die ich so gar nicht nachvollziehen kann (und nicht nur ich, wie es scheint). Dietz wirft Kracht eine antisemitische Grundhaltung vor und dass er "antidemokratische Inhalte in den Mainstream" brächte. Interessanterweise ist es aber gar nicht mal so sehr Imperium als Roman, auf dem Dietz seine Argumentation aufbaut, sondern vielmehr klaubt sich der Autor aus allen Veröffentlichungen Krachts zusammen, was ihm passt. Allerdings übersieht er dabei etwas Entscheidendes: die Ironie, die so viel in den Romanen von Kracht ausmacht und die mit großer Vorsicht zu genießen ist, denn auch bei Kracht hat sie einmal ein Ende.

Imperium erzählt die traurigkomische Geschichte des August Engelhardts - Nudist, Vegetarier und Gründer des Sonnenordens auf der kleinen Insel Kakabon. In Deutschland missverstanden und letztlich sogar misshandelt, macht sich Engelhardt in die Kolonien in der Südsee auf, um sich dort exklusiv nur noch von Kokosnüssen zu ernähren, denn "kurz, die Kokosnuß war vollkommen. Wer sich ausschließlich von ihr ernährte, würde gottgleich, würde unsterblich werden." Was folgt ist die Geschichte von geistigem Verfall, von Wahn und Mord. Engelhardt zieht einige Jünger an, von denen einer unter nicht geklärten Umständen stirbt und der andere sich retten kann.
 
Krachts Erzähler ist vielleicht das Sonderbarste an diesem ganzen Buch. Von der ersten Seite an wird klar, dass Unernst hier zelebriert wird, dass die Ironie so eklatant daherkommt, dass sie eigentlich kaum zu übersehen ist. Als auktoriale Instanz überblickt der Erzähler das Gesamtgeschehen, sein Duktus entspricht der Zeit über die er berichtet, ist dabei allerdings so überzogen, dass er das Erzählte nicht selten schon ins Lächerliche zieht. Und immer wieder vergleicht er Engelhardt mit "einem späteren deutschen Romantiker und Vegetarier, der vielleicht lieber bei seiner Staffelei geblieben wäre", wer hier gemeint ist, muss gar nicht ausgesprochen werden.  Diese Parallele taucht immer wieder im Buch auf, ohne jemals Namen zu nennen. Aber die Ironie des Christian Kracht hört genau dann auf, wenn er die Folgen der NS-Herrschaft in knappen Nebensätzen berührt. Der Holocaust ist das Ende der Ironie.

Der Leser begleitet August Engelhardt bis ins hohe Alter - und dass er so alt wird, grenzt schon fast an ein Wunder. Denn natürlich kann eine Ernährung, die nur aus Kokosnüssen besteht, nicht ohne Folgen bleiben und Engelhardt, zu Beginn ein Pazifist und Anhänger der Lebensrefombewegung, mutiert immer mehr zu einem Diktator auf seiner kleinen Insel. Mit dem Verfall seines Geisteszustands geht auch eine Veränderung seiner Essgewohnheiten einher, so dass wir als Leser am Tiefstpunkt einen Engelhardt sehen, der zum Autokannibalen wird. Wie Ourobos verschlingt sich Engelhardt selbst (ein Stück zumindest) und versinkt in seiner eigenen Welt, die keine Einflüsse von außen mehr braucht oder duldet. Erst viele Jahre später wird er von Amerikanern aufgegriffen und von ihnen mit Cola und Hotdogs versorgt - welch Ironie. Natürlich ist die Parallele von Vegetarismus und geistigem Verfall nicht zwingend kausal, aber sie dient doch zumindest wiederum als Aufhänger für diese andere große Parallele, die immer wieder durchscheint.

Christian Kracht hat mit Imperium vielleicht nicht die "Hitler-Saga" geschrieben, die der SPIEGEL hier vermutet, aber zumindest doch eine meisterhaft erzählte "Südseeballade", die dazu anregt, sie mehrfach in die Hand zu nehmen, noch einmal zurückzublättern und sich noch einmal zu fragen, was hier nun Ernst sei oder eben nicht. Trotz aller Referenzen auf andere große Romane der Kolonialzeit, wie beispielsweise Joseph Conrads Heart of Darkness entzieht sich Imperium jedoch einer kategorischen Einordnung als Kritik am Kolonialismus und macht es vielleicht daher Kritikern so schwer, ihn positiv zu bewerten.


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